Inhalt und Ziel des Forschungsprojekts
Der Moment des Staunens gilt seit der Antike als Anfang der Erkenntnis, Anfang eines Begehrens und Anfang einer Subjektsetzung. Staunen bildet eine Schnittstelle zwischen Subjekt und Welt, die zur Verhandlung von wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und religiösen Beziehungen und Konzepten gebraucht werden kann. Entsprechend ist die Macht des Staunens, die in Rhetorik, Poetik und Ästhetik strategisch eingesetzt wird, nicht nur ein zentrales Instrument für Gesellschaftspolitik und Machtstrukturen, sondern ein Mittel, über das ökonomische und epistemische Interessen affektiv und diskursiv legitimiert werden können.
Mit einer interdisziplinären Perspektive, in der sich Literaturwissenschaft und Kultursoziologie wie auch Wissen(schaft)sgeschichte verbinden, die aber auch auf der Kooperation mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Geschichts-, Erziehungs- und Sozialwissenschaften, der Kunst- und Architekturgeschichte sowie der Musikwissenschaft beruht, sollen Prozesse, Praktiken und Techniken der Instrumentalisierung von Staunen wie auch von dessen habituellem Gebrauch untersucht werden. Das Projekt nimmt Staunen unter dem dreifachen Aspekt von Erstaunen, Bewundern und Überraschen in den Blick: 1. Wahrheit durch Erstaunen, 2. Ordnung durch Bewunderung und 3. Destabilisierung durch Überraschung. Die Forschungen beziehen sich auf einen Zeitrahmen von 1600 bis zur Gegenwart, was die Beobachtung von für die Thematik entscheidenden diskursiven und historischen Verschiebungen erlaubt.
Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext
Das Projekt verspricht neue Erkenntnisse bezüglich der gesellschaftlichen Relevanz von ästhetischen Emotionen. Es wird gezeigt, wie über eine Inszenierung und eine Rhetorik des Staunens verschiedene Wissens- und Handlungs-Felder (z.B. Politik, Erziehung, Polemologie, Werbung, Populärwissenschaften) in ein kulturelles System von Werten, Macht und Kunst eingebunden werden.
Keywords
Staunen, Überraschung, Bewunderung, Epistemologie, Strategie, Macht, Politik, Wissenschaft, Ästhetik, Kunst, Affekt, Werte, Wahrheit, Sicherheit