Erste Teilfrage: Wie trägt das Arbeitsgedächtnis zur Bildung von Langzeit-Erinnerungen bei? Wir prüfen zwei Hypothesen zu dieser Frage. Die eine ist, dass Information im Arbeitsgedächtnis gehalten werden muss, damit sie in einer Weise verarbeitet werden kann, durch die sie fest im Langzeitgedächtnis etabliert wird. Mehrere solche Verarbeitungsprozesse sind vorgeschlagen worden, darunter das Auffrischen von Information durch Aufmerksamkeit, Elaboration von Information durch das Herstellen von Verknüpfungen, und Konsolidierung. Die zweite Möglichkeit ist, dass das Arbeitsgedächtnis eine Durchgangsstation ins Langzeitgedächtnis ist. Je mehr Information im Arbeitsgedächtnis gehalten werden kann, und je länger sie gehalten werden kann, desto mehr und besser wird die Information im Langzeitgedächtnis verankert. Zweite Teilfrage: Wie trägt das Langzeitgedächtnis zum Halten von Information im Arbeitsgedächtnis bei? Es ist schon lange bekannt, dass Information, die bereits eine Entsprechung im semantischen Gedächtnis hat -- die also gut mit unserem Wissen zusammenpasst --, besser im Arbeitsgedächtnis gehalten werden kann (z.B. können wir uns Wörter unserer eigenen Sprache besser merken als Wörter einer uns unbekannten Sprache). Wie diese Unterstützung des Arbeitsgedächtnisses durch semantisches Langzeitgedächtnis funktioniert, wollen wir unter anderem durch „Hebb-Lernen“ untersuchen – eine experimentelle Technik, bei der semantisches Wissen unter kontrollierten Bedingungen im Labor aufgebaut wird. Wir können damit beispielsweise untersuchen, wie kleinere Einheiten (z.B. Buchstaben-Sequenzen) zu grösseren Einheiten (sog. „chunks“) zusammen gebunden werden, so dass sie weniger Kapazität im Arbeitsgedächtnis beanspruchen. Eine andere Frage, die wir untersuchen wollen, ist, ob auch das episodische Langzeitgedächtnis zu unserer Fähigkeit, Information im Arbeitsgedächtnis zu halten, beiträgt. Dazu wollen wir ein gut etabliertes Phänomen nutzen, das das episodische Gedächtnis charakterisiert, nämlich proaktive Interferenz: Wenn eine neue Erfahrung grosse Ähnlichkeit hat mit älteren Erfahrungen, die wir bereits im Gedächtnis haben – beispielsweise der zehnte Urlaub am selben Ort – dann fällt es uns schwer, die neue Erfahrung im Gedächtnis von den älteren zu unterscheiden und sie selektiv zu erinnern. In dem Masse, in dem episodisches Gedächtnis auch zur Fähigkeit des Arbeitsgedächtnisses, neue Information kurzfristig zu behalten, beiträgt, sollte diese Fähigkeit anfällig sein für proaktive Interferenz. Wir wollen untersuchen, unter welchen Umständen das der Fall ist.
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