Geschlechtsspezifische Ungleichheiten haben in den letzten 50 Jahren zwar massiv abgenommen, zeigen jedoch eine hohe Persistenz auf dem Arbeitsmarkt. Eine mögliche Ursache ist die immer noch sehr starke Segregation der Geschlechter in verschiedene Berufsfelder, wobei Frauen tendenziell Berufe in Feldern mit niedrigeren Promotionschancen, prekären Arbeitsbedingungen und niedrigerem Gehalt wählen. Diese so genannte horizontale Geschlechtersegregation findet sich auch in der Schweiz in starkem Ausmasse und sie scheint sich nicht zu verringern wie auch die neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. In der bisherigen Forschung werden verschiedene Ursachen für diese starke Geschlechtersegregation vermutet: Zum einen wählen Frauen in Antizipation ihrer späterer Hauptverantwortung für die Kinder eher Berufsfelder, in denen ein Wiedereinstieg leichter möglich ist oder Teilzeitarbeit eine Option ist. Zum anderen weisen Frauen eine Präferenz für Berufe mit gewissen Charakteristika auf (z.B. soziale Interaktion, Kinderbetreuung, etc.), schätzen Berufe (oder Karrierepfade) ohne starken Wettbewerb aufgrund ihrer höheren Riskoaversion, legen weniger Wert auf Berufsfelder mit hohem Status und vermeiden naturwissenschaftliche Berufe aufgrund ihrer Mathematik-Aversion. Obwohl verschiedene Faktoren zur Erklärung für horizontale Geschlechtersegregation vorgeschlagen werden, ist unklar, wie stark sich einzelne Faktoren auf die Berufswahl auswirken. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass in typischen „Frauenberufen“ stets mehrere potentielle Einflussfaktoren simultan auftreten und daher nicht eruiert werden kann, welche ursächlich für die Wahl eines Berufs verantwortlich sind. Die bisherige Herangehensweise der Forschenden war es bislang, mittels Umfragen einzelne Präferenzen abzufragen und in statistischen Analysen gegeneinander zu testen. Dieses Vorgehen ist jedoch problematisch, da zum einen fragwürdig ist, ob Präferenzen überhaupt abgefragt werden können. Zum anderen bleibt unklar, inwieweit die Antworten eine selbstwertdienliche Verzerrung darstellen oder sogar auf sozialer Erwünschtheit beruhen. Ein faktorielles Surveyexperiment kann hier Abhilfe schaffen, da die einzelnen Berufsmerkmale unabhängig voneinander variiert werden können und daher kausal eruiert werden kann, welche Faktoren einen wie starken Einfluss auf die Wahl eines Berufes.
Im Rahmen dieses SNF Grants wird daher an zwei Populationen – Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sowie Medizinstudierenden – untersucht, welche Faktoren in der Entscheidungsfindung für ein Studienfach / eine medizinische Spezialisierung entscheidend sind. Während der Fokus bei der ersten Population auf inhaltliche Charakteristikas des Faches liegt (wie beispielsweise die Zahl der zu besuchenden Mathematikkursen), liegt der Fokus bei der zweiten Population auf institutionelle Charakteristikas (wie beispielsweise die Vereinbarkeit mit Familie).
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