Die Schweiz rekrutierte in der Nachkriegszeit zahlreiche Migrierende, wovon im hier untersuchten Zeitraum italienische Staatsangehörige die grosse Mehrheit darstellten. Zwei Migrationsabkommen zwischen den beiden Ländern regelten die Anwerbung sowie die Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen dieser Immigrierenden. Entgegen solcher Vereinbarungen wurden diese jedoch auch ohne Arbeitsverträge in die Schweiz gelassen. Das Ausmass dieser irregulären Migration ist nicht zu vernachlässigen. Während meines Romaufenthaltes werde ich jene Quellenbestände analysieren, die sich dazu im Archivio Centrale dello Stato befinden. Dabei sollen die durchaus auch divergierenden Perspektiven der italienischen Behörden auf diese Praxis rekonstruiert werden. Während in Italien eine solche Handhabung oft kritisiert wurde, weil Italien dadurch die Arbeitsversträge nicht kontrollieren konnte, war die italienische Botschaft in Bern offenbar direkt in die Stellenvermittlung solcher ‚falscher Touristen‘ involviert. Diese lief zu einem wichtigen Teil über Mitarbeitende des Bernischen Bauernverbandes, die mit der Aufgabe betraut worden waren, diese Arbeitssuchenden an interessierte Landwirte zu vermitteln. Aufgrund der im Vergleich zur Industrie schlechteren Bezahlung und den längeren Arbeitszeiten war es für die Landwirtschaftsbetriebe nicht einfach, genug Arbeitskräfte zu finden. Der Bernische Bauernverband machte deshalb die Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte an bäuerliche Arbeitgeber bereits ab 1945 zu einer seiner Haupttätigkeiten. Die Landwirte waren dabei in zweifacher Weise mit dieser irregulären Immigration konfrontiert. Einerseits blieben die Immigrierenden oft nicht für die ganze Dauer, die vom Arbeitsvertrag vorgesehen war, oder sie tauchten nie an der vorgesehenen Arbeitsstelle auf, weil sie ein attraktiveres Arbeitsangebot gefunden hatten. Andererseits waren die Bauern gerade deshalb an einer solchen Immigration interessiert, um ihren Bedarf an Arbeitskräften zu decken.
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