Bei der Auslegung einer Gesetzesvorschrift gilt, dass grundsätzlich auch ausländisches Recht mitberücksichtigt werden kann, wenn die Wertungen in den beiden Ländern die gleichen sind. Die IFRS sind eine Norm der internationalen Selbstregulierung; können diese auch in die schweizerische Rechtsordnung einwirken? Und, sind die Wertungen der IFRS und des Obligationenrechts überhaupt die Gleichen? Landläufig wird angenommen, dass die Rechnungslegung nach Obligationenrecht vorsichtiger ist, als nach IFRS. Auf den zweiten Blick kann aber festgestellt werden, dass verschiedene IFRS-Vorschriften vorsichtiger sind, als die entsprechenden Regeln im Obligationenrecht, zum Beispiel im Zusammenhang mit Rückstellungen und dem Saldierungsverbot. Können dort, wo die IFRS vorsichtiger sind, IFRS-Vorschriften beigezogen werden? Ist es sogar möglich, eine Bilanz zu verfassen, die sowohl IFRS und Obligationenrecht entspricht? Die finanzielle Berichterstattung ist auch ein wichtiges Führungsinstrument für den Verwaltungsrat. IFRS-Vorschriften streben ein Bild des Unternehmens an, das besser den tatsächlichen Verhältnissen entspricht; genügt daher eine IFRS-Bilanz (anders als nach Obligationenrecht) den finanziellen Leitungspflichten des Verwaltungsrates? Das Projekt ist methodisch und rechtsvergleichend. Methodisch, weil es die Frage analysiert, ob eine Norm der internationalen Selbstregulierung Auslegungshilfe oder sogar Gesetzesrang erhalten darf. Rechtsvergleichend werden die Vorschriften der IFRS mit den handelsrechtlichen Vorschriften verglichen und es werden gestützt auf diesen Vergleich zwei Fragen beantwortet, die von grossem praktischerem Interesse sind: Ob es möglich ist, einen Abschluss sowohl nach IFRS wie auch nach OR-Vorschriften zu erstellen und, ob eine IFRS-Berichterstattung im Hinblick auf die finanziellen Führungspflichten des Verwaltungsrates genügt. Beides würde die Transparenz und die Aussagekraft der Rechnungslegung stark erhöhen.
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