Ausgangslage Die Jahre 1965–1980 bedeuteten für den Schweizer Jazz einen Wendepunkt: Die Musiker (vereinzelt auch Musikerinnen) emanzipierten sich von den US-amerikanischen Vorbildern und spielten eigene Kompositionen, oft als sogenannte ‚Avantgardisten’. Free Jazz wurde in der Schweiz nicht nur rezipiert, hier wurde auch Geschichte geschrieben: Akteure wie Irène Schweizer, Pierre Favre, Urs Blöchlinger und später Werner Lüdi wurden zu prägenden Vertretern der europäischen Free-Jazz-Bewegung. Schweizer Bands wie Magog oder OM leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des Jazz-Rock. In diese Zeit fällt die Gründung der Festivals von Montreux und Willisau: Drehscheiben für avancierten Jazz in Europa, die einen regen Austausch zwischen hiesigen und ausländischen Musikern ermöglichten und für Aufbruch und Revolte – und später auch für die Nobilitierung des Jazz – standen. Das Projekt geht der zentralen Frage nach, wie konzertveranstaltende Jazz-Institutionen in der Schweiz entstanden und funktionierten, wie stark sie die Etablierung eines neuen Berufsstands begünstigten und welche Echos sie auslösten. Eine Dissertation untersucht, welche Bedeutung Festivals und Clubszenen für die Ausprägung des Schweizer Jazz und seine Vernetzung hatten. Methoden Das Projekt ermittelt und sichert schriftliche und audiovisuelle Quellen zur Entstehung und weiteren Entwicklung exemplarisch ausgewählter Festivals wie Montreux, Nyon, Willisau, Zürich sowie einer vielfältigen Clubszene am Beispiel Zürich. In strukturierten Interviews werden repräsentative Personen zu Geschichte und Bedeutung dieser Institutionen befragt, wobei auch Fragen der Syndikalisierung, Lebens- und Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden. Quellen verschiedenster Herkunft werden so dokumentiert, aufgearbeitet und die Befunde in kulturtheoretische Diskurse integriert. Ergebnisse Ein zentraler Abschnitt der Schweizer Musikgeschichte wird als Übersicht unter verschiedenen Blickwinkeln aufgearbeitet, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die Hauptzeugen bzw. deren Nachkommen, Schüler und Mitspieler noch leben. Durch die Sicherung und Digitalisierung von Tonaufnahmen und das Zusammentragen zusätzlicher Dokumente können die Quellen der weiteren Forschung zugänglich gemacht werden. Die Studien zu einzelnen Festivals, Szenen und Problemstellungen dieses Pilotprojektes bilden die Grundlage für eine spätere Gesamtdarstellung dieser Epoche. Ausserdem wird als Fallstudie die Figur von Remo Rau aufgearbeitet; weitere Aufsätze widmen sich dem frühen Jazzunterricht am Übergang zur Professionalisierung sowie Genderfragen. Die beteiligten Jazzhochschulen von Basel, Bern, Lausanne, Luzern und Zürich boten Themenworkshops zum Jazz in der Schweiz an und erhielten durch die Aktualisierung des historischen Materials kreative Impulse für das eigene aktuelle Schaffen und den Unterricht. Ein Symposium stellte die Schweizer Situation in Beziehung zur Jazzgeschichte in verschiedenen europäischen Ländern.
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