Gegenstand des Forschungsprojekts ist eine kritische Ausgabe der "Ethnika" des Stephanos von Byzanz. Das ca. 528-535 entstandene kultur-geographische Lexikon war offenbar noch bis ins 12. Jh. im vollständigen Umfang (ca. 50-55 Bücher), zumindest teilweise, zugänglich; erhalten geblieben ist es allerdings — mit Ausnahme eines Fragments (S) im Pariser Cod. Coislin. 228 — nur in einer Epitome, deren Datierung (zwischen 6. und 10. Jh.) schwankt. Diese verkürzte Version der "Ethnika" ist in 19 bekannten Handschriften überliefert, deren verlorener Archetypus aus der 2. Hälfte des 15. Jhs. stammt. Die Neuedition basiert auf vier Haupthandschriften sowie der Editio princeps (1502). Erste Vorarbeiten, um die letzte, wissenschaftlich längst überholte Ausgabe der "Ethnika" von A. Meineke (1849) zu ersetzen, unternahm F. Jacoby (vor 1938). E. Grumach erstellte einen Wartetext (vor 1967), R. Keydell veranlasste und betreute die Erstkollationen der wichtigsten 8 Hss. und hinterliess zudem bei seinem Tod (1982) ca. 50 Probeartikel sowie einen Entwurf der Einleitung. Seither wird der Stephanos-Nachlass von der Gesuchstellerin verwaltet. Die grossen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte in der Editionstechnik klassischer Texte, im Bereich der lexikographischen Forschung, in der Stephanos-Analyse und besonders in der archäologisch-epigraphisch orientierten Siedlungsgeschichte machten eine Neukonzeption der Ausgabe und eine Überholung der Editionsprinzipien unumgänglich: (a) Strikte Beschränkung des Haupttextes auf die handschriftlich überlieferte Epitome (d.h. Verzicht auf Rekonstruktionsversuche der ursprünglichen "Ethnika"); Nachweis der Autorenzitate. (b) Der Similienapparat trägt der Quellenbenutzung durch Stephanos sowie der indirekten Überlieferung der "Ethnika" Rechnung. (c) Deutsche Übersetzung des griechischen Textes mit Anmerkungen, bes. zur Gestaltung und zum Verständnis des Originaltextes sowie zu Onomastik, Topographie, Lokal- und Siedlungsgeschichte; Einbezug neuester historischer Standardwerke; inhaltliche Erschliessung des Werks mit Hinweisen auf weiterführende Literatur. Die Ausgabe erscheint in gestufter Publikation im Corpus Fontium Historiae Byzantinae. Series Berolinensis, im Verlag Walter de Gruyter (Berlin/New York). Erschienen sind Band I (Alpha – Gamma) 2006; Band II (Delta – Iota) 2011; Band III (Kappa – Rho) ist für 2013 vorgesehen, Band IV (Sigma – Omega) für 2016, gefolgt von einer Monographie über das Gesamtwerk und dessen Einordnung in die spätantike und frühbyzantinische Gelehrtenliteratur. Neben der überfälligen Neuedition der "Ethnika" leistet die leserfreundlich gestaltete Ausgabe einen wichtigen Beitrag zur zunehmend interdisziplinär betriebenen Forschung im Bereich der Historischen Geographie des Mittelmeerraumes, der Orts- und Namenskunde sowie der Lokal- und Siedlungsgeschichte Griechenlands und Kleinasiens.
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