Project
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Anton Weberns Orchesterstücke: Instrumentation und Fassungsproblematik
English title |
Anton Webern’s Orchestral Pieces: Orchestration and the Problem of Version |
Applicant |
Schmidt Matthias
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Number |
132093 |
Funding scheme |
Project funding (Div. I-III)
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Research institution |
Musikwissenschaftliches Seminar Universität Basel
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Institution of higher education |
University of Basel - BS |
Main discipline |
Musicology |
Start/End |
01.02.2012 - 31.01.2014 |
Approved amount |
105'670.00 |
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Keywords (4)
Source Studies; Musical Aesthetics; Music Analysis; Musicology
Lay Summary (German)
Lead
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Lay summary
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Die Orchesterstücke Anton Weberns, komponiert zwischen 1909 und 1913, entstanden in einer Zeit, als Weberns Lehrer Arnold Schönberg unter dem Namen «Klangfarbenmelodie» ein klangliches Konzept in den musiktheoretischen Diskurs seines Schülerkreises einführte, das radikal mit grundlegenden Kategorien der abendländischen Musikgeschichte brach und ein völlig neues Verständnis von Instrumentation begründete. Welch fundamentale Bedeutung die vermeintlichen Zukunftsvisionen Schönbergs gerade in dieser Zeit für Weberns eigene Kompositionen besassen, wurde von der Rezeption, die erst in den 20er Jahren in grösserem Umfang einsetzte, allerdings kaum mehr zur Kenntnis genommen. Zuzuschreiben ist diese Verschiebung des Webern-Bildes, deren Spuren über die «serielle» Webern-Rezeption der 50er und 60er Jahre bis in die Gegenwart reichen, nicht nur der veränderten musikhistorischen Situation der 1920er Jahre, sondern nicht zuletzt auch Weberns eigener Tätigkeit als Herausgeber seiner Werke, in deren Verlauf er viele seiner früheren Kompositionen nochmals gründlich überarbeitete: Im Fall der Orchesterstücke betrafen die Revisionen zum grössten Teil die Instrumentation, wobei nicht selten gerade jene klanglichen Momente zurücktraten, die nach Massgabe der «Klangästhetik» der Zeit um 1910 besonders avanciert erscheinen. Ein weiterer bestimmender Faktor der frühen Rezeption von Weberns Orchesterstücken ist die Bearbeitungspraxis des «Vereins für musikalische Privataufführungen», deren Ziel – die Konzentration aufs musikalisch Wesentliche durch die Beseitigung aller bloß äusserlichen, nämlich klanglichen Zutaten – von einer Idee wie der der «Klangfarbenmelodie» kaum weiter entfernt sein könnte. Sowohl seine Sechs Stücke für Orchester op. 6 als auch seine Fünf Stücke für Orchester op. 10 hat Webern in Schönbergs «Verein» mehrfach in Bearbeitungen für Kammerensemble aufgeführt. Ziel des Forschungsprojekts ist eine quellenkritische Untersuchung der unterschiedlichen Fassungen und Bearbeitungen von Weberns Orchesterstücken in ihrem jeweiligen ästhetischen, kompositionstechnischen und aufführungspraktischen Kontext, auf deren Grundlage Kategorien wie «Original», «Bearbeitung» und «Fassung» neu zu bestimmen und schliesslich Fragen der Autorisierung und des Werkbegriffs im Hinblick auf editionstechnische und aufführungspraktische Probleme zu diskutieren sind. Das Projekt, das von einer engen Zusammenarbeit mit der Anton Webern Gesamtausgabe profitiert, versteht sich somit gleichermassen als philologische Studie zu Weberns Orchesterstücken und als Beitrag zu Grundproblemen der Editionswissenschaft.
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Responsible applicant and co-applicants
Employees
Collaboration
Universal Edition, Wien |
Austria (Europe) |
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- Research Infrastructure |
Paul Sacher Stiftung, Basel |
Switzerland (Europe) |
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- Research Infrastructure |
Anton Webern-Gesamtausgabe (WGA), Basel |
Switzerland (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Research Infrastructure |
Wienbibliothek im Rathaus |
Austria (Europe) |
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- Research Infrastructure |
Stadtbibliothek Winterthur |
Switzerland (Europe) |
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- Research Infrastructure |
Associated projects
Number |
Title |
Start |
Funding scheme |
126789
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Anton Webern: Ausgabe sämtlicher Werke |
01.10.2009 |
Project funding (Div. I-III) |
143565
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Anton Webern: Ausgabe sämtlicher Werke |
01.10.2012 |
Project funding (special) |
125243
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Kompositorische Rezeption der Musik Anton Weberns |
01.04.2009 |
Project funding (Div. I-III) |
Abstract
Die beiden Zyklen von sechs bzw. fünf Orchesterstücken, die Anton Webern zwischen 1909 und 1913 komponiert hat, zählen heute zu seinen bekanntesten und meistgespielten Werken. Angeregt durch die Fünf Orchesterstücke Arnold Schönbergs, repräsentieren sie nicht nur Weberns »instrumentales Denken« in der Zeit von der Auflösung der Tonalität bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs, sondern auch eine Ästhetik des musikalischen Expressionismus, durch die sich die Wiener Schule im öffentlichen Bewusstsein überhaupt erst konstituierte. Im Mittelpunkt dieser neuen Ästhetik stand neben der Befreiung der Musik von den überkommenen Regeln und Zwängen der traditionellen Tonalität auch ein avanciertes, ja visionäres klangliches Konzept, das Schönberg 1911 an exponierter Stelle am Ende seiner Harmonielehre beschrieben hat: die Idee der »Klangfarbenmelodie«, also der Emanzipation des reinen Klangs und seiner Aufwertung zu einem eigenständigen, potentiell gleichberechtigten Parameter und Gestaltungsbereich der musikalischen Komposition.Die Frage des Klangs bei Webern ist eine der spannendsten und zentralsten gerade im Hinblick auf seine Orchesterstücke: Zum einen sind diese Stücke - wie diejenigen Schönbergs und Bergs - in einer Zeit entstanden, in der die Komponisten der Wiener Schule dem Phänomen des Klangs eine bewusstseinserweiternde, geradezu mystische Wirkung beigemessen und dieses irrationale Moment zugleich theoriekritisch gegen die Tradition gewandt haben (selbstbewusst schliesst Schönbergs »Zukunftsphantasie« am Ende seiner Harmonielehre mit den Worten: »Wer wagt hier Theorie zu fordern!«); andererseits aber hat Webern seine Orchesterstücke zu einer Zeit bearbeitet und revidiert, in der die früheren Ideale - dazwischen liegt immerhin das einschneidende Erlebnis des Ersten Weltkriegs - obsolet geworden waren bzw. in der Schönberg und seine Schüler mit der »Zwölftonmethode« die einst so verachtete »Theorie« wieder für sich entdeckt hatten. Ziel und Zweck der geplanten Untersuchung der verschiedenen Fassungen und Bearbeitungen von Weberns Orchesterstücken ist es, den jeweiligen musikhistorischen - allgemein stilistisch-ästhetischen wie konkret aufführungspraktischen - Kontext zu rekonstruieren und anhand einer detaillierten Analyse ihrer Instrumentation Weberns Ästhetik des Klangs und der Klangfarbe zu beschreiben. Dabei ist nicht nur ein von Weberns späteren Revisionen wie von der nachhaltigen »seriellen« Webern-Rezeption sich befreiendes, neues Verständnis des »frühen« Webern zu gewinnen, sondern es zeigt sich hierbei zugleich der tiefgreifende Wandel dieser »Klang-Ästhetik« zwischen 1909, als Webern seine Sechs Orchesterstücke op. 6 komponierte, und 1928, als er sie im Hinblick auf eine Veröffentlichung in der Universal-Edition einer grundlegenden Instrumentations-Revision unterzog. In der vergleichenden Analyse wird Weberns Einfluss auf die Rezeption seiner Werke somit unmittelbar greifbar.Die Eigentümlichkeiten der unterschiedlichen Fassungen, die in der Analyse ihrer Instrumentation herausgearbeitet werden sollen, führen schliesslich auf die Frage nach dem Werkbegriff, also dem Status von Original, Bearbeitung und Fassung im Hinblick auf ihre Autonomie als Kunstwerk, und die daraus sich ergebenden Konsequenzen für Edition und Aufführungspraxis. Die Bedeutung des Forschungsprojekts für die editorische Praxis bildet auch die Grundlage einer intensiven Zusammenarbeit des Projekts mit der in Basel entstehenden Anton Webern-Gesamtausgabe.
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