Einhergehend mit rasanten Modernisierungsprozessen, wirtschaftlichem Aufschwung und gesellschaftlichem Wandel entsteht im Mailand der Nachkriegszeit ein äusserst produktiver Grund, auf dem sich Architektur in einer Vielzahl experimenteller Projekte entfaltet.Wohnarchitektur und Industriedesign gehören in dieser Zeit zu wichtigen Betätigungsfeldern der Architekten. Forum und Katalysator einer sich erneuernden Wohnkultur sind die Ausstellungen und Debatten um die Mailänder Triennale, die sowohl von populären Zeitschriften als auch der Fachpresse mit grosser Aufmerksamkeit dokumentiert und kommentiert werden. In dieser einzigartigen Situation kommt es zu Begegnungen zwischen Architekten, Produktedesignern, Künstlern - später auch Modedesignern und Stadtplanern - mit Produzenten, Bauherren und Interessierten.Das Werk des Architekten Luigi Caccia Dominioni steht emblematisch für diese Entwicklung. Er hat in dieser Stadt während mehr als sechzig Jahren ein Œuvre geschaffen, das sich durch eine Heterogenität an Themen und Beschäftigungsfeldern auszeichnet. Seine produktivste Schaffensperiode umfasst die Jahre von 1950 bis 1970 und fällt damit in diese spannungsreiche Phase der Mailänder Architekturgeschichte. Wohnbauten, Wohnungsumbauten und Einrichtungen machen den Hauptteil seines Werkes aus. Seine Klientel entstammt hauptsächlich dem Mailänder Bürgertum und Grossbürgertum, dessen Selbstverständnis sich aufgrund der Demokratisierungsprozesse der Nachkriegszeit und des wirtschaftlichen Aufschwungs während den 1960er Jahren im Umbruch befindet und nach einer Erneuerung des architektonischen Ausdrucks strebt.Gegenstand der Untersuchung sind die zwischen 1950 und 1970 realisierten Wohnbauprojekte des Architekten. Die Einschränkung auf eine bestimmte Schaffensperiode und Werkgruppe ist sinnvoll, da Caccia Dominioni während dieser Jahre auf dem Gebiet der Wohnbauten, Wohnungseinrichtungen und des Möbeldesigns seine grundlegenden Entwurfsverfahren entwickeln und die herausragendsten und innovativsten Projekte realisieren konnte.Ziel der Studie ist es, vertiefte Erkenntnisse über die Entstehung von Caccia Dominionis Wohnarchitektur zu gewinnen. Die Grundthese dieser Arbeit betrachtet seine Architektur als Ergebnis einer dynamischen Wechselwirkung zweier Faktoren. Diese sind erstens die politischen und kulturellen Ideale, welche die Mentalität des Mailänder (Gross-) Bürgertums, ihre Debatten und ihre Entscheidungen als Klienten von Künstlern, Architekten und Gestaltern beeinflusst haben, zweitens die massgebenden intellektuellen Strömungen der Nachkriegszeit, welche für die Formation und Berufspraxis der Architekten, ihre fachliche Aspiration charakteristisch waren.Eine detaillierte und wissenschaftliche Analyse der Wohnbauten Caccia Dominionis, welche die Architektur als Suche nach einem Ausdruck einer sich im Umbruch befindenden gesellschaftlichen Elite erforscht, liegt bislang nicht vor. Die hier vorgeschlagene Studie wird eine solche Analyse vornehmen und damit einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der bürgerlichen Wohnarchitektur der Nachkriegszeit leisten. Darüber hinaus wird die Studie über das Zusammenwirken einer gesellschaftlichen und historischen Konstellation, das zu einer spezifischen Ausdrucksweise führt, verallgemeinerbare Erkenntnisse schaffen. Zum Leben und Werk von Caccia Dominioni wurde bis anhin wenig geforscht und publiziert. Systematische Untersuchungen fehlen gänzlich, da die Grundlagen dafür fehlen. Bei der 2006 erfolgten Sichtung der Archive in Mailand und Morbegno konnte viel wertvolles Material entdeckt werden, das bis jetzt noch nicht erforscht und publiziert wurde. Dieses Material wird neue Aspekte der Arbeitsweise des Architekten aufzeigen.Die geplante Studie zu Caccia Dominioni wird im Rahmen einer Dissertation an der Professur für Architekturtheorie von Frau Elli Mosayebi, dipl. Architektin ETH, erarbeitet.
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