Jedes Jahr suchen viele Menschen wegen zumeist viralen Atemwegsinfektionen ihren Arzt auf. In der Folge davon werden diagnostischer Unsicherheit oft unnötigerweise Antibiotika verschrieben. Je mehr Antibiotika verschrieben werden, desto stärker nehmen Antibiotikaresistenz und Nebenwirkungen zu. Hauptursache für diesen Antibiotikamissbrauch ist das Fehlen von einfach verwendbaren, spezifischen diagnostischen Tests, die dem Arzt Auskunft geben, ob ein bakterieller oder ein viraler Infekt vorliegt. Ein weiteres Problem ist die vielerorts hohe Erwartungshaltung von Patienten, ein Antibiotikum zu erhalten.Bakterien produzieren im Blut Giftstoffe, die im Rahmen der Entzündungsreaktion den Körper dazu anregen, das Hormon Procalcitonin in höherer Menge zu produzieren als bei viralen Infekten. Vor diesem Hintergrund wurde am Universitätsspital Basel gezeigt, dass mit einer Procalcitonin gesteuerten Therapie die Antibiotikagabe bei Atemwegsinfekten um die Hälfte reduziert und verkürzt werden kann. Dies bei vollkommen gleichem Therapieerfolg. In der ambulanten Primärversorgung bei Hausärzten war Procalcitonin ebenfalls ein hilfreiches Werkzeug um den Antibiotikaverbrauch um 75% zu senken und so zu optimieren. Wir wollen in der ProHOSP Studie untersuchen, ob an einer grösseren Anzahl von Patienten in anderen Spitälern der gleiche positive Effekt erzielt werden kann. An der Studie beteiligen sich folgende Kliniken: Universitätsspital Basel und die Kantonsspitäler von Liestal, Luzern, Aarau, Solothurn und Münsterlingen. Über 1000 Patienten, welche wegen einer akuten Atemwegsinfektion (d.h. akute Bronchitis, akuter Schub einer chronischen Bronchitis und Lungenentzündung) den Notfallstationen einer dieser Kliniken zugewiesen werden, sollen rekrutiert werden. Patienten mit einer akuten Atemwegsinfektion, welche zur Teilnahme an der Studie einwilligen werden nach dem Zufallsprinzip entweder nach herkömmlichen klinischen Kriterien untersucht und mit Antibiotika behandelt („Standardgruppe“), oder der Beginn und die Dauer der Antibiotikatherapie werden aufgrund des Procalcitoninwertes („Procalcitoningruppe“) festgelegt. Die Studie untersucht, ob in der Procalcitoningruppe der Antibiotikagebrauch massgeblich reduziert werden kann, ohne dass der Therapieerfolg schlechter ist. Daneben werden mehrere Zusatzprojekte durchgeführt, welche verschiedene relevante Fragestellungen bei hospitalisierten Patienten mit Atemwegsinfektionen untersuchen (Kostenbilanz, Veränderung und prognostische Aussagekraft von Stresshormonen, zusätzliche mikrobiologische Untersuchungen).Dieses Projekt soll die Diagnosemöglichkeiten für akute Atemwegsinfekte verbessern helfen und damit zu einem optimierten Einsatz von Antibiotika beitragen. Hierdurch können die zunehmende Entwicklung von Antibiotikaresistenz gebremst sowie die begrenzten finanziellen Mittel im Gesundheitswesen besser genutzt werden.Weiterführende Literatur für InteressierteChrist-Crain M., Müller B. Procalcitonin in bacterial infections - hype, hope, more or less?Swiss Med Wkly 2005; 135: 451-60Müller B. Prat C. Markers of acute inflammation in assessing and managing LRTI. Clin Microbiol Infect 2006; 12 (s9): 8-16
|