Projektbeschrieb Wir werden die Praktiken bei der Erstellung psychiatrischer Gutachten bei zivilrechtlichen Massnahmen (Vormundschafts- und Beistandschaftsmassnahmen, administrative Versorgung, Freiheitsentzug zwecks fürsorgerischer Unterbringung) sowie strafrechtlichen Massnahmen (therapeutische Massnahmen) im Zeitraum zwischen den 1940-er Jahren und heute untersuchen. Wie qualifizieren Gutachter Verhalten medizinisch und moralisch? Welche Behandlungsmethoden und Institutionen empfehlen sie? Inwiefern können sich die begutachteten Personen bezüglich der Massnahmen, die sie betreffen, Gehör verschaffen? Diese Fragestellungen untersucht das Projekt mittels einer Analyse von 600 Gutachten der Akten von Personen, bei denen mehrere Massnahmen gleichzeitig oder aufeinanderfolgend ergriffen wurden. Wir werden auf institutioneller, legislativer, politischer und kultureller Ebene drei verschiedene Kantone (VD, GE, VS) miteinander vergleichen.
Kontext Die administrative Versorgung, Inhaftierung und Zwangsunterbringung in psychiatrischen Kliniken, in denen gleichzeitig die fürsorgerische Unterbringung und strafrechtliche therapeutische Massnahmen sichergestellt werden, sind Indizien für das Spannungsfeld zwischen Fürsorge und Zwang als Reaktion auf Verstösse einer wirtschaftlich marginalisierten Bevölkerungsgruppe.
Ziel Die Verringerung der zivilrechtlichen Zwangsmassnahmen und die Erleichterung des Zugangs zu Fürsorge im Gefängnis sind zwei wichtige Herausforderungen, die zurzeit die beteiligten Akteure sowie Mediziner, Juristen, Magistraten und Verbände beschäftigen. Ihre Sensibilisierung zwecks Anerkennung der Rechte und Wahrnehmung der Hürden ist Teil einer weit zurückreichenden Geschichte, die wir mit unserem Projekt beleuchten.
Bedeutung Das Erstellen von Gutachten, Gegenstand öffentlicher Debatten aufgrund Aufsehen erregender Fälle in der französischsprachigen Schweiz zwischen dem Ende des 20. und dem Anfang des 21. Jahrhunderts, obliegt zweifelsohne der Verantwortung des Psychiaters. Ein Beitrag unseres Projektes liegt im Beleuchten der Funktion sowie der institutionellen Verwendung von Gutachten, die wenig Medienberichterstattung erfuhren und gleichwohl für die Schicksale zahlreicher von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen betroffenen Individuen eine wichtige Rolle spielten.
Originaltitel Wissen und Macht. Die Praxis forensischer Psychiater im Zusammenhang mit fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Eine Vergleichsstudie zu den Kantonen Waadt, Genf und Wallis (1940 bis heute)
Verantwortung (verantwortliche Gesuchstellerin) Cristina Ferreira Prof. Dr. Haute Ecole de Santé Vaud (HESAV) 21 Avenue de Beaumont, 1011 Lausanne +41 21 316 82 03 Cristina.Ferreira@hesav.ch
Andere Projektverantwortliche Prof. Dr. Jacques Gasser, Département de psychiatrie du CHUV, Co-Gesuchssteller
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