Medizinische Chemiker entwerfen, synthetisieren und analysieren neuartige Wirkstoffmoleküle mit Blick auf ihre gewünschten Eigenschaften und unerwünschten Wirkungen. Dabei sind zahlreiche Aspekte gleichzeitig zu berücksichtigen, zum Beispiel die mögliche Toxizität der neuen Substanzen und ihre synthetische Zugänglichkeit. Konsequenterweise sind die "Drug Designer" mit eine komplexen Aufgabe konfrontiert, die vielfache Entscheidungen und unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Eigenschaften der neuen Molekülstruturen beinhalten. Betrachtet man nun noch die unglaubliche Grösse des sogenannten chemischen Raums, also die theoretische Anzahl an potenziellen Wirkstoffmolekülen, die etwa 1030–1060 chemische Substanzen umfasst (man bedenke dabei, dass 'nur' ca. 1018 Sekunden seit dem Urknall des Universums vergangen sind), so steht ein medizinischer Chemiker vor einer wahrhaft schwierigen Aufgabe. Die entscheidende Frage lautet "Was soll ich als nächstes synthetisieren?"In dieser scheinbar unentscheidbaren chaotischen Situation werden zwangsläufig viele brauchbare neue Wirkstoffe übersehen. Ganz offenbar trifft die Leistungsfähigkeit des menschlichen Verstands hier an seine Grenzen, um aus den vielen Trillionen möglicher Molekülentwürfe treffsicher brauchbare Kandidaten unter Berücksichtigung mehrerer Parameter herauszusuchen. Die Wirkstofffindung ist ein extrem komplexer Prozess, und in einer solchen Situation könnte die künstliche Intelligenz die natürliche Intelligenz des Chemikers / der Chemikerin unterstützen. Ebendiese Hypothese bildet den Kern des vom SNF geförderten Forschungsprojekts an der ETH Zürich. Im Rahmen der Studie werden Maschinenlernverfahren entwickelt, die auf ihre Brauchbarkeit für den Entwurf neuer Wirkstoffmoleküle getestet werden. Die Computermodelle werden mit unterschiedlich komplexen praktischen Fragestellungen auf die Probe gestellt. Kann "kunstliche Intelligenz" hier tatsächlich weiterhelfen und die medizinische Chemie somit potenziell zu besseren neuen Wirkstoffen führen? Das Projekt ist wichtigerweise nicht rein theoretisch ausgelegt, sondern hat einen unmittelbaren praktischen Bezug zur Wirkstoffforschung. Die vom Computer entworfenen ("designten") Molekülstrukturen werden im Labor synthetisiert und anschliessend auf ihre biologische Aktivität hin getestet. Auf diese Weise können mehrere Entwurf-Synthese-Test Zyklen durchlaufen werden. Die Ergebnisse dieses auf die Dauer von vier Jahren ausgelegten Forschungsprojekts werden zu unserem besseren Verständnis dieser Methoden der künstlichen Intelligenz beitragen und eine Abschätzung von deren tatsächlichen Leistungsfähigkeit für die Wirkstoffforschung der Zukunft ermöglichen.