Project
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"Der Himmel hat von sich aus keine Ordnung des Vorne und des Hinten" - Begriffsgeschichtliche Studien zur Herausbildung der Kategorie des Räumlichen in chinesischen Texten des 17. Jahrhunderts
English title |
"Heaven has no order of the front and back": conceptual history approaches to the emergence of the category of spatiality in Chinese texts of the 17th century |
Applicant |
Behr Wolfgang
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Number |
165805 |
Funding scheme |
Project funding (Div. I-III)
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Research institution |
Ostasiatisches Seminar Universität Zürich
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Institution of higher education |
University of Zurich - ZH |
Main discipline |
Other languages and literature |
Start/End |
01.05.2016 - 30.04.2019 |
Approved amount |
170'463.00 |
Show all
All Disciplines (3)
Other languages and literature |
Visual arts and Art history |
Keywords (5)
Begriffsgeschichte; Ästhetik; Epistemologische Wende; Erkenntnistheorien; Raumbegriff
Lay Summary (German)
Lead
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In der Alltagserfahrung der meisten Menschen erscheint der Raum als etwas Natürliches und Unhinterfragtes. Dem entspricht gewissermassen, dass in den meisten geisteswissenschaftlichen Forschungen der Raum als fundamentaler Faktor der menschlichen Existenz und als kognitive Universalie verstanden wird.Erkenntnistheoretische und ästhetische Texte aus dem China des 17. Jahrhunderts spiegeln jedoch Wirklichkeitsvorstellungen wider, die nicht primar durch das Raumliche bestimmt sind und bei welchen eine einheitliche Kategorie des Raums sogar abwesend zu sein scheint.
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Lay summary
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Inhalt und Ziel des Forschungsprojekts Das vorliegende Forschungsprojekt geht von der Annahme aus, dass die Vorstellung vom Raum kulturell mitbedingt sein kann. Ziel ist es, ein Verständnis jener Voraussetzungen herauszuarbeiten, mit denen die Herausbildung der Raumkategorie im europäischen neuzeitlichen Wissen zusammenhing, und diese mit den Auffassungen von “Prinzipien des Lebens” zu vergleichen, die sich in chinesischen Texten des 17. Jhs. zeigen. Leitfragen des Projektes sind also: Welche Raumvorstellungen waren in welcher Form in China zu jener Zeit prasent? Welche Grenzen und Relevanz hat die Anwendung von heute zur Verfugung stehenden Raumbegriffen auf das damalige chinesische Wissenssystem? Hierbei werden die räumlichen Vorstellungen im Hinblick darauf analysiert wie sie sich auf der Ausdrucksebene der Sprache widerspiegeln, wobei sich das Projekt aan den Methoden der Begriffsgeschichte orientiert. Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher KontextDie Interpretation der gelehrten chinesischen Traktate wird diese nicht nur in ihrer geistes- und wissensgeschichtlichen Bedeutung vergegenwartigen und einem grosseren, auch nicht-sinologischen Publikum zuganglich machen, sondern auch – so steht zu hoffen – zum Verständnis von kulturellen Ähnlichkeiten und Differenzen am Beispiel eines zentralen Begriffs beitragen.
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Responsible applicant and co-applicants
Employees
Publications
Lukicheva Polina (2016), Gibt es den Raum in der chinesischen Landschaftsmalerei?, in Altenburger Roland (ed.), Otto Harrassowitz, Wiesbaden, 213-232.
Collaboration
Fudan Universität Shanghai |
China (Asia) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Research Infrastructure |
ETH Zürich Departement Architektur Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta |
Switzerland (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Publication |
Shanghai Museum |
China (Asia) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Research Infrastructure |
Department of East Asian Studies, Princeton University |
United States of America (North America) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results |
Leiden University Institute for Area Studies (LIAS) |
Netherlands (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Publication |
UZH UFSP Sprache und Raum |
Switzerland (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Publication |
Universität Heidelberg Cluster of Excellence "Asia and Europe in a Global Context" |
Germany (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Publication |
ETH Zürich Wissenschaftsforschung |
Switzerland (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Publication |
Scientific events
Active participation
Title |
Type of contribution |
Title of article or contribution |
Date |
Place |
Persons involved |
Jao Tsung-I lectures
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Individual talk
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"原「道」— 道字語源及其詞族發微" [On the origin of dào and its word family]”, invited talk
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22.09.2017
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Jao Tsung-I Academy, Hong Kong, Hongkong
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Behr Wolfgang;
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Self-organised
Communication with the public
Communication |
Title |
Media |
Place |
Year |
Abstract
Im China des 17. Jahrhunderts, in der Zeit des Übergangs zwischen der Ming- (1368-1644) und Qing- (1644-1911) Dynastie, vollzog sich, einhergehend mit sozialen, politischen und ökonomischen Umbrüchen, eine einschneidende epistemologische Wende. Die Neuorientierung des Erkenntnisprozesses in dieser Übergangsperiode resultierte in einer allmählichen Abkehr von der spekulativ-reflexiven Erörterung kosmologisch-moralischer Schemen hin zur Produktion von nachprüfbarem Wissen.Wesentliche Parameter dieser Wende lassen sich an einer Veränderung von Beschreibungen dessen ablesen, wie der Raum bzw. das Räumliche gedacht wurden. Im Verlauf der epistemologischen Neuausrichtung bildeten sich nämlich erst allmählich jene Begriffe aus, welche das semantische Feld des Räumlichen abstecken und in einem gewissen Sinn erstmals konstituieren sollten. Das Resultat dieser Entwicklung stellt zweifellos eine Art Paradigmenwechsel dar.Das hier vorgestellte Projekt unternimmt den Versuch, die Ausgangslage vor bzw. den Umschlag während dieser Wende begriffsgeschichtlich einzukreisen: Welche Raumvorstellungen waren in welcher Form vor der Wende präsent, welche Grenzen und Relevanz hat die Anwendung von heute zur Verfügung stehenden Raumbegriffen auf das chinesische Wissenssystem vor der Wende?Im Unterschied zur vergleichsweise einfach zu erschliessenden Geschichte des Raumbegriffs nach der epistemologischen Wende sind Raumvorstellungen, ja selbst Rahmen und Inhalt eines Diskurses über den Raum vor der Wende, viel schwieriger zu bestimmen. Denn es trifft wohl folgendes zu: In der Zeit vor der Wende manifestierten sich nicht nur solche taxonomische Ordnungen, bei welchen mögliche “räumliche” Komponenten des als “wirklich” Gedachten gerade nicht unter einer einheitlichen Kategorie “Raum” zusammengeführt wurden, sondern auch allgemeiner solche Auffassungen von “Prinzipien des Lebens”, die nicht primär durch das Räumliche bestimmt waren. Kurzum: es waren noch weithin solche Erkenntnisstrategien wirkmächtig, die sich nicht primär räumlicher Kategorien bedienten.Aus dem naturgemäss umfangreichen potentiellen Textmaterial zur Raumproblematik wurden als Ansatzpunkte für eine Bestimmung der Kategorie des Räumlichen insbesondere solche chinesische Texte ausgewählt, die man aus der Perspektive der europäischen Tradition als “ästhetische” bezeichnen müsste. Vielversprechend für eine Erforschung des Räumlichen erscheinen insbesondere Texte von chinesischen Gelehrten des 17. Jahrhunderts, da sie sowohl detaillierte Angaben zur Bildgestaltung (Methoden und Techniken) als auch vielfältige wahrnehmungs- und erkenntnistheoretische Reflexionen enthalten. Zudem verweisen diese Texte bzw. ihre Begrifflichkeit spezifisch auf pragmatische Aspekte, wie mit dem Räumlichen bzw. mit den räumlichen Werten operiert wurde, bevor ein explizit formuliertes Raumkonzept entstanden war.In den Vorarbeiten zu diesem Projekt wurde eine methodologische Basis ausgearbeitet, welche auf Grundlage einer begriffsgeschichtlichen Analyse die diese Forschung interessierenden Bild- und Raumtheorien_ erschliesst und miteinander in Beziehung setzt. Die begriffsgeschichtliche Behandlung wird in einem ersten Schritt die verschiedenen semantischen Schichten räumlicher Wahrnehmung und räumlicher “Werte” voneinander abheben, insoweit diese sich in der Bildgestaltung niederschlagen haben. Im Laufe der Analyse wird in einem zweiten Schritt erschlossen, welche referentiellen Beziehungen zwischen der Konstruktion des bildlichen Raums -und den mit ihr jeweils verbundenen Wirklichkeitsauffassungen bestanden.Die begriffsgeschichtliche Analyse gliedert sich wie folgt:1. Erarbeitung von Kriterien zur Bestandsaufnahme von raumbezogenen Begriffen in ästhetischen Texten des 17. Jahrhunderts; Auswahl von Begriffen und deren provisorische Eingliederung nach Bedeutungszusammenhängen in Begriffsfelder.2. Analyse von provisorisch identifizierten raumbezogenen Schlüsselwörtern hinsichtlich: erstens, der Sprachstrukturen, in welchen sie artikuliert sind (syntagmatische und paradigmatische Beziehungen); zweitens, der Funktion dieser Wörter in der damaligen Auffassung von der Bildgestaltung; drittens, der konzeptuellen und funktionellen Beziehungen zwischen den Wörtern implizierten Begriffen der Bildgestaltung und anderen “Kulturbereichen” (Philosophie bzw. “Klassikergelehrsamkeit” [jingxue ??] und buddhistische Epistemologie; Musik-, Literatur- und Kalligraphietheorien; Geomantik [fengshui ??] usw.).3. Verankerung der ästhetischen und erkenntnistheoretischen Begrifflichkeit im breiteren wissensgeschichtlichen Kontext Chinas in der untersuchten Epoche; Aufbau einer kategorisierten Datenbank, die einerseits die raumbezogenen Begriffe indiziert und anderseits taxonomische Ordnungen kontrastiert, wie sich diese nach Enzyklopädien und Gliederungen in den bibliographischen Werken der untersuchten Zeitperiode rekonstruieren lassen.Die auf die Erfassung der epistemologischen Voraussetzungen zielende Interpretation der raumbezogenen Begrifflichkeit in den chinesischen ästhetischen Texten des 17. Jahrhunderts bildet die Grundlage für einen vergleichenden Ansatz mit bildgestalterischen Traditionen in Europa, insbesondere mit dem für sie zentralen Raumbegriff. In hermeneutischer Rückwendung dieser vergleichenden Perspektive wird sodann das resultierende Raumverständnis in den chinesischen Texten näher bestimmt. Somit soll ein Instrumentarium entwickelt werden, das sowohl durch Strukturierung indigener Wissensbestände als auch durch Kontrastierung mit exogenen Raumbegriffen ein kritisches Verständnis der chinesischen Gelehrtendiskurse und bildgestalterischen Reflexionen ermöglicht.
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