Project
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Politische Korruption und Korruptionsbekämpfung: Oligarchische Wahl- und Amtskontrolle in Bern und Venedig, 15.-17. Jh.
English title |
Political Corruption and Anti-Corruption Policy : Oligarchic Election- and Magistratecontrol in Berne and Venice, 15th to 17th Century |
Applicant |
Slanicka Simona
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Number |
128490 |
Funding scheme |
SNSF Professorships
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Research institution |
Historisches Institut Universität Bern
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Institution of higher education |
University of Berne - BE |
Main discipline |
General history (without pre-and early history) |
Start/End |
01.09.2010 - 31.12.2014 |
Approved amount |
1'284'491.00 |
Show all
All Disciplines (2)
General history (without pre-and early history) |
Keywords (15)
Political History; History of Political Corruption; Comparative City History; Late Medieval History; Early Modern History; History of Berne; History of Venice; History of Moral Economy; Historical Anthropology; Pictorial Turn; History of Corruption; History of Elections; Medieval and Early Modern History of City States; Semantics and Iconography of Corruption; History of Oligarchies
Lay Summary (German)
Lead
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Lay summary
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Nach moderner Auffassung ist politische Korruption ein illegaler Bestechungsvorgang, der ausserhalb der Öffentlichkeit geschieht und den Zweck verfolgt, dass ein politischer Akteur in einem bestimmten Sinn handelt oder Handlungen unterlässt. Die Forschung ging bislang davon aus, dass es in der Vormoderne keine derart eindeutige Grenzziehung gab, sondern dass für die Zeit vor 1800 von einer pragmatischen Normenvielfalt auszugehen sei, die den Akteuren mehr Spielraum ermöglichte und für die Korruption als Analysekonzept unangebracht sei. Das Forschungsprojekt wird anhand von Wahlen in der Frühen Neuzeit untersuchen, ob und von welchen Vorstellungen von Korruption sie begleitet waren und mit welchen Vorkehrungen Wahlmanipulationen verhindert werden sollten. Dazu werden die Wahlen in zwei oligarchischen Stadtstaaten von 1500-1700 untersucht, Bern und Venedig. In beiden Städten folgt auf eine sehr erfolgreiche Expansionspolitik ab 1500 die Stabilisierung und Stagnation, in der nunmehr die vorhandenen Ressourcen unter einem zahlenmässig begrenzten Patriziat zu verteilen sind. Der Ämterbesetzung und Ämterrotation kommt in diesem Kontext eine entscheidende Rolle zu. In beiden Städten liegt die Wahlkontrolle bei einer kleinen Gruppe von Entscheidungsträgern: der Vennerkammer in Bern und dem Rat der Zehn in Venedig, die Einblick und Einfluss in nahezu alle Regierungsgeschäfte nehmen. Der Untersuchungszeitraum ist geprägt durch die Versuche der anderen Ratsmitglieder, die Machtkompetenzen der Vennerkammer und des Zehnerrates zurückzustutzen, bis hin zu deren spektakulärem Sturz um 1700, der von umfassenden Korruptionsanklagen begleitet ist. Im Ringen um die Wahlkontrolle ist das Bemühen um Eindämmung von Korruption und paritätischer Reform der Oligarchien zu erkennen. Diesen Prozess wird das Forschungsprojekt mittels dreier Teilprojekte untersuchen. Das erste Teilprojekt befasst sich mit den Wahlreglementen in Bern, mit den Eidformeln und der Amtsführung einzelner Venner. Das zweite Teilprojekt untersucht die Wahlreglemente in Venedig, insbesondere die Gesetzgebung über den "broglio", die Wahlmanipulation. Auch hier werden Eidformeln und Amtsführung einzelner Zehner ins Visier genommen. Das dritte Teilprojekt erforscht die Aussenwahrnehmung dieser beiden Stadtstaaten, die sich in Ambassadorenbriefen, Reiseberichten und politischen Denkschriften artikuliert. Alle drei Projekte werden Daten zur Begrifflichkeit und Bildersprache von Korruptionsvorstellungen zusammentragen. Das Projekt hofft dadurch, Rolle und Tragweite von Korruptionsargumenten bei der Stabilisierung, Destabilisierung und dem Wandel von politischen Systemen aufzuklären.
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Responsible applicant and co-applicants
Employees
Publications
Grüne Niels / Slanicka Simona (ed.) (2010),
Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, Vandenhoeck & Ruprecht, Goettingen.
Maud Harivel Anna Hirzel-Strasky Florian Schmitz Simona Slanicka (Hg.), Fremde Gelder. Pensionen in der Alten Eidgenossenschaft, in
Fremde Gelder. Pensionen in der Alten Eidgenossenschaft, Zürich.
Collaboration
Universität Bielefeld |
Germany (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Publication - Research Infrastructure |
Universität Amsterdam |
Netherlands (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Research Infrastructure |
Universität Köln |
Germany (Europe) |
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- in-depth/constructive exchanges on approaches, methods or results - Research Infrastructure |
Scientific events
Self-organised
Workshop: Soziale Netzwerke - Annäherung an ein Konzept der Sozialwissenschaft
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09.04.2013
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Bern, Switzerland
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Fremdes Geld - Pensionen in der alten Eidgenossenschaft
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30.11.2012
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Bern, Switzerland
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Communication with the public
Communication |
Title |
Media |
Place |
Year |
Talks/events/exhibitions
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Fremde Gelder sind des Teufels, sie korrumpieren die Schweiz
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Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nichtwissen
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German-speaking Switzerland
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2012
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Associated projects
Number |
Title |
Start |
Funding scheme |
157457
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Politische Korruption und Korruptionsbekämpfung: Oligarchische Wahl- und Amtskontrolle in Bern und Venedig, 18. Jh. |
01.01.2015 |
SNSF Professorships |
Abstract
Nach moderner Auffassung ist politische Korruption ein illegaler Bestechungsvorgang, der außerhalb der Öffentlichkeit geschieht und den Zweck verfolgt, dass ein politischer Akteur in einem bestimmten Sinne handelt oder Handlungen unterlässt. In der Vormoderne jedoch gab es keine derart scharfe Grenzziehung. Vielmehr ist für die Zeit vor 1800 von einer ambivalenten Konkurrenz von Normensystemen auszugehen. Offensichtlich hat also ein tiefgreifender Wandel in der politischen Auffassung darüber stattgefunden, was unter „Korruption“ zu verstehen und wie mit ihr umzugehen sei: Während sie in der Vormoderne als Bestandteil politischen Handelns galt, wird sie in der Moderne zumindest nominell aus dem Bereich des Politischen ausgegrenzt und aus dem offiziellen politischen Kommunikationsraum verbannt. Dieser Wandel und seine vormodernen Etappen bilden den Fluchtpunkt des vorliegenden Forschungsprojektes. Im hier geplanten Projekt soll diese Hypothese anhand der zwei Stadtstaaten Bern und Venedig überprüft werden, die sowohl von ihrer patrizischen Sozialstruktur als auch in Bezug auf ihre dominante Rolle für ihr jeweiliges „Hinterland“ im anvisierten Zeitraum (15.-17. Jahrhundert) durchaus miteinander vergleichbar scheinen. Im Sinne der unterschiedlichen „politischen Sprachen“, deren notwendige Erforschung Luise Schorn-Schütte für die Frühneuzeitforschung angemahnt hat , geht das Projekt davon aus, dass diese aristokratisch organisierte Stadtstaaten ein spezifisches Vokabular zur Konzeptualisierung von „Korruption“ entwickelt haben, und dass bei Antikorruptionsdebatten in diesem sozialen Umfeld spezifische Vorstellungen von gesellschaftlicher Stabilität, politischer Partizipation, Öffentlichkeit, Ressourcenverteilungen etc. ausgehandelt werden. Die Durchführbarkeit des Projektes erfordert es, Korruptionsvorwürfe und Antikorruptionsmassnahmen in klar begrenzten Bereichen zu untersuchen. Als solche sollen einerseits die Wahlen in den Grossen Rat und in dessen Ausschüsse mit ihrem stark ritualisierten Ablauf fokussiert werden. Es gilt also, Vorwürfe von Wahlmanipulationen ausfindig zu machen und miteinander zu vergleichen, und ebenso entsprechende Massnahmen für einen gerechten Wahlablauf und für eine geeignete Kandidatenwahl zu systematisieren. Ferner ist danach zu fragen, wie die Gerechtigkeit und Legitimität, also die „Korruptionsreinheit“ der Wahlen öffentlich kommuniziert wird. Andererseits soll der Vorwurf des Amtsmissbrauchs untersucht werden, und zwar anhand von zwei ökonomischen und machtpolitischen Schlüsselpositionen der beiden Stadtgesellschaft in dieser Zeit, nämlich der Berner Vennerkammer und des venezianischen Rates der Zehn. Die beiden Untersuchungsfelder zielen auf zentrale politische Schaltstellen Berns und Venedigs, die die politische Partizipation und ökonomische Ressourcenverteilung kontrollieren, so dass hier Rückschlüsse über grundlegende Funktionsmechanismen von politischer Korruption und Antikorruptionspolitik zu erwarten sind. Anhand der repetitiven Struktur der Ämterbesetzungen, die über die gesamte Untersuchungsperiode verfolgt werden sollen, können in einer „longue durée“ Vergleichsdaten für Kommunikationsmuster über Korruption gesammelt und ihr Wandel verfolgt werden. Mit der Konzentration auf institutionelle Vorgänge des städtischen Regiments will sich das vorliegende Projekt von den bisherigen Forschungen zu Patronage, Klientelismus und Bestechung abgrenzen und vor allem den Konnex zwischen Korruptionsdiskurs und Staatlichkeitskonzepten untersuchen, wie sie etwa mit der Proklamation von Korruptionsbekämpfung als Garantie für ein „gutes und gerechtes Regiment“ verbunden sind..„Korruption“ soll in diesem Forschungsprojekt als Grundfigur politischer Kommunikation verstanden werden, in der bestimmte Akteure konjunkturell Grundwerte politischen Handelns und Redens sowie „public values“ wie Gemeinwohl, Partizipation und Transparenz zu verhandeln und neu zu bestimmen versuchen. Trotz einiger einschlägiger Studien, auf die im nächsten Abschnitt zur Forschungslage eingegangen wird, ist die Begriffs-, Ideen- und Praxisgeschichte der vormodernen politischen Korruption in zentralen Punkten noch nicht ausgelotet und bleibt zu schreiben. Vor dem Hintergrund des modernen Begriffsverständnisses ist zu untersuchen, inwiefern für die Vormoderne überhaupt von „Korruption“ die Rede sein kann, d.h. welche Auffassungen von „Korruption“ in dieser Epoche überhaupt existieren konnten. Ist „Korruption“ ein mit der Entstehung von rational-bürokratischen Herrschaftsformen und breiter öffentlicher Partizipation verbundener Begriff, oder gab es bereits in der Vormoderne eine wirkmächtige „moralische Ökonomie“ politischen Handelns? Die Mehrschichtigkeit des Korruptionsbegriffs, der so unterschiedliche politische Dimensionen wie persönliche Amtsführung, strukturelle Amtsethik, Verfasstheit eines Staatswesens, öffentliche Werte und Gemeinwohlvorstellungen in einem moralisierenden Diskurs mit spezifischen Schlagworten und Anklagepunkten aufscheinen lässt, wurde von der neueren Politikgeschichte als heuristische Herausforderung verstanden , und soll als solche auch im vorliegenden Forschungsprojekt untersucht werden. Die tragfähigste Definition von Korruption in der gegenwärtigen Diskussion von Michael Johnston zielt auf den „Missbrauch öffentlicher Macht zu privaten Zwecken“. So banal diese Definition zunächst klingt, so zentral sind allerdings die politischen Kategorien, die sie impliziert: Sie setzt nämlich eine Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre, also zwischen Person und Amt voraus. Bei dieser Definition von Korruption stehen damit die Kernaufgaben von staatlichen Institutionen und der Rolle von Amtsträgern auf dem Spiel.
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